Sudienreise Plakat-Ausstellung: Information? Inspiration? Let’s MAK it!
100 gekürte beste Plakate, 13 Interessierte, 1 Dozent. Das ist die Formel für eine etwas andere Studienreise. Jetzt mal ganz plakativ betrachtet. Rein faktisch stellt das MAK zum 17. Mal (noch bis 5. März 2023) die Siegerplakate des Wettbewerbs 100 BESTE PLAKATE 21. Deutschland Österreich Schweiz aus. Das Besondere daran: aus den über 2.000 Einreichungen gibt es nicht EINEN Sieger, sondern eben die 100 Besten. Eine seltene Gelegenheit, gleich 100 Plakate an EINEM Ort sehen zu können, ohne durch die Straßen Europas streunen zu müssen.
So folgte ein stattliches Grüppchen der Einladung des Grünen Salons zur Studienreise ins Museum für angewandte Kunst in Wien und Günther Matern führte in die Beurteilungskriterien für Plakatbetrachtung ein.
Plakatattacke auf die Sinne
Tatsächlich war der erste Grüne Salon außerhalb des Schloss Kogl am 22. Oktober 2022 eine dichte Angelegenheit. Denn erstens wartete die geballte Ladung Plakat auf die Neugier der Teilnehmenden. Zweitens gab es vor dem Rundgang einige Einführungen, Anregungen, Denkanstöße und Gestaltungsinfos, mit denen der Run auf die Plakate begann. In den Fokus-Rucksack wurden ja doch ein paar Themen eingepackt, die es zu beachten galt:
• Einzigartigkeit
• Spektakuläre Aufmachung
• Persönlicher Geschmack
• Subjektivität der Jury
• Stilistische Färbungen
• Typographische Schwerpunkte
• Graphic Design an sich
• Bildsprache
• Die Kraft der Idee
Am wichtigsten aber: Welche „Funktion“ haben Plakate? Darf man bei kreativen Gestaltungswerken überhaupt von Funktion sprechen? Und erfüllen auch die presigekrönten Plakate in der Ausstellung ihre „Funktion“?
Derart vorbereitet ging es ab in die komprimierte Welt der Sieger-Plakate, der Ideen, Graphic-Designs und künstlerischen Gestaltungen. Und ein Fragenkomplex drängte sich sofort vor: Plakate im Museum? Ist das nicht ein Paradoxon? Sind es nicht gerade die Plakate, die uns auf der Straße und im öffentlichen Raum die Aufmerksamkeit abtrotzen bzw. um sie buhlen? Und jetzt hier im Museum?
Zwei kurze Klicks auf Wikipedia
„Ein POSTER (englisch poster, „Plakat“) ist ein dekorativer Druck, der meistens rahmenlos und plakatartig oder mittels eines Decoblocks an die Wand gehängt wird. Im Gegensatz zu Plakaten dienen Poster jedoch nicht der öffentlichen Informationsvermittlung. Als Kunstform sind Poster in der Folge der Pop-Art aus der Plakatkunst entstanden. Heute finden sich Poster in jeder Form und mit jedem Inhalt (so auch als Kunstdruck oder Fotokunst) …“
„Ein PLAKAT ist ein großer, in der Regel mit Text und Bild bedruckter Bogen aus Papier oder Stoff, der an einer Plakatwand, einem Plakatreiter, einer Litfaßsäule oder einer anderen geeigneten Fläche in der Öffentlichkeit angebracht wird, um eine Botschaft zu übermitteln. Seinem Wesen nach ist das Plakat eine Mitteilung an eine anonyme Gruppe von Empfängern. Der Absender kann nicht unmittelbar kontrollieren, ob seine Botschaft den einzelnen Empfänger erreicht und wie dieser darauf reagiert.
Das Wort Plakat taucht im 16. Jahrhundert in den Niederlanden auf. Während des Befreiungskampfes gegen die spanischen Besatzer hatten die Niederländer Flugblätter mit Klebstoff an Häuserwände und Mauern geplackt. Derartige Papierbögen hießen plakatten (neu-niederländisch plakkaat). Im Französischen entstanden daraus plaque („Platte, Täfelchen“) und placard („Anschlag“). In Deutschland verwendete 1578 erstmals der Satiriker Johann Fischart das Wort Plakat in der Bedeutung einer öffentlichen Bekanntmachung der Obrigkeit …“
Zurück ins MAK und den echten Plakaten
Analytisch gesehen variieren die Gestaltungsmittel der Sieger-Plakate sehr individuell: Typografische Spielereien, Fotocollagen oder dominierendes GrafikDesign geben Inspiration. Dennoch lässt sich über die Jahre ein Schwerpunkt erkennen: Die Analyse zeigt, dass sich drei Viertel der Plakate über die Gestaltung, Illustration, Typo und Photo aufmachen zum Betrachter.
Nur ein Viertel sendet die Botschaft über die kreative Idee, über den Überraschungseffekt, über das Wow als Kraft einer starken Idee! „Ideenbasierte Gestaltung ist in der Minderheit. Dabei läge so viel Power in ihr“, sagt Günther Matern.
Das Spiel mit Sekunden oder Minuten
Ein Blick auf die Funktion der Plakate macht deutlich, dass sich hier im MAK zwar gebündelte Gestaltungsfreude und Kreativität präsentieren. Der schnelle Transport der Information und Botschaft kann aber mehrheitlich nicht als Stärke dieser Plakate bezeichnet werden. Hier zeigen sich auch Werke, die dem Betrachter gut und gerne ein, zwei Minuten Aufmerksamkeit „abverlangen“, weil sie so viel zu erzählen haben. Oder weil sie die wesenseigene Funktion eines Plakates missachten?
Günther Materns Auffassung von Plakatgestaltung schafft Klarheit bei vielen fragenden Blicken nach dem ersten Rundgang durch die Ausstellung. Ein Plakat sei wie Dach eines Hauses. „Das Dach hat zu allererst eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich Regen und Unwetter vom Wohnraum abzuhalten. Die FORM des Daches bietet dabei allerdings gestalterischen Spielraum: vom traditionellen Giebeldach bis hin zu ausdrucksstarken Formen wie dem „Dach“ des Sydney Opera House oder der künstlerischen Verschmelzung von Haus und Dach beim Guggenheim-Museum in Bilbao. Immer bleibt aber die Notwendigkeit der Dachfunktion erhalten. Das gesamte Sydney Opera House ist sinnlos, wenn es hereinregnet und keine Konzerte stattfinden können. Im Grunde ist es bei Plakaten ebenso: Wenn die Botschaft nicht erfassbar ist, bleibt das Plakat in seinem Wesenskern sinnlos!“
Inspiration auf vielen Ebenen
Klar ist, dass jeder Impuls für die Marken- und Unternehmenskommunikation genutzt werden kann. Und so ist die Ausstellung 100 BESTE PLAKATE 21. Deutschland Österreich Schweiz wie ein Füllhorn zu sehen, das uns kleine Reize schenkt, einen neuen Ideenmix serviert, einen gestalterischen Cocktail anbietet und durch die Masse an Individualität Lust auf Neues hervorzaubert.
Klar ist auch, dass Kunst und Kultur eben jenen Spielraum füllen, der in der klassischen Werbung nicht vorhanden ist. Denn hier geht es um Bruchteile von Sekunden, um Schnelligkeit, um die Überraschung durch eine knackige Idee. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht etwas plakativer zu.
Doch auch hier grätscht Günther Matern als passionierter Plakatgestalter dazwischen: Kunst ist nicht nur die begabte Gestaltung einer freien Fläche (auf Leinwand oder Papier), es gibt auch die hohe Kunst, Ideen visuell auf den Punkt zu bringen. Vielleicht ist das sogar eine unterschätzte Kunst, auch im Einsatz der Werbung und Marktkommunikation.
Von Günther Matern gibt es jedenfalls ein klares Bekenntnis dazu.
Mehr zum Thema Plakat und viele Inspiration gibt es beim Blog über die legendäre polnische Plakatkunst in den 1960er-Jahren.
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